BGH: Vermieter darf Mindest-Müllmenge abrechnen, Urteil vom 06.04.2016 – VIII ZR 78/15
Die Mietparteien stritten darum, ob die Vermieterin bei den Kosten für die Entsorgung des Restmülls eine Mindestmüllmenge in Ansatz bringen durfte.
Nach Installation einer Abfallschleuse teilte die Vermieterin dem Mieter vorab mit, dass sie die Müllentsorgungskosten ab dem Jahr 2008 nicht mehr komplett nach der Wohnfläche abrechnen werde. Stattdessen sei vorgesehen, die Kosten für den Restmüll zu 30 % nach der Wohnfläche und zu 70 % nach dem erfassten Volumen zu verteilen. Jede Mietpartei erhalte einen Transponder oder sog. Identchip zur Bedienung der Abfallschleuse und Erfassung des Müllvolumens. Ende 2009 unterrichtete die Vermieterin den Mieter, dass die Abfallschleuse bisher noch nicht von allen Haushalten genutzt werde. Da die gemeindliche Abfallsatzung jedoch ein zu bezahlendes Mindestvorhaltevolumen vorsehe, werde sie ihrerseits für den Restmüll ab dem Jahr 2010 eine Mindestmenge in Ansatz bringen. Für den Zweipersonenhaushalt des Mieters seien das zehn Liter pro Woche, jährlich somit 520 Liter. Der bisherige Verteilerschlüssel werde beibehalten. Die Umlage erfolge weiterhin zu 70 % nach individueller Verursachung und zu 30 % nach der Wohnfläche.
Der Mieter war der Auffassung, die Vermieterin dürfe den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 keine Mindestmenge, sondern nur die tatsächlich erfasste Schüttmenge zugrunde legen. Für das Jahr 2010 waren das in ihrem Haushalt 70 Liter, für das Jahr 2011 fielen 60 Liter Restmüll an. Er verlangte entsprechend die Neuberechnung der Müllgebühren.
Der BGH hat die Rechtslage folgendermaßen beurteilt:
§ 556a Abs. 1 Satz 2 BGB eröffnet bei erfasster Verursachung oder erfasstem Verbrauch einen gewissen Spielraum für die Ausgestaltung der Kostenumlage. Das Gesetz lasse es zu, die Umlage dieser Betriebskosten nicht zu 100 % nach erfasstem Verbrauch beziehungsweise erfasster Verursachung vorzunehmen. In einem gewissen Umfang dürften verbrauchs- oder verursachungsunabhängige Kostenbestandteile in die Umlage einbezogen werden. Die Vermieterin habe den ihr eingeräumten Spielraum hier nicht überschritten. Die von ihr konkret angesetzte Mindestmenge von zehn Litern Restmüll pro Woche für einem Zweipersonenhaushalt sei aus Billigkeitsgründen (§ 315 BGB) nicht zu beanstanden. Dieser Ansatz orientiere sich an dem Mindestvorhaltevolumen, das die Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Erfurt festlege. Diese Regelung verfolge den berechtigten Zweck, eine illegale Abfallentsorgung als wirtschaftlich sinnlos erscheinen zu lassen.
Der BGH ist auch darauf eingegangen, welche Probleme die Einführung eines Erfassungssystems für die Müllmengen durch die Gemeinde (hier Erfurt) mit sich bringen kann. Die Auswirkungen von Müllschleusen sind auch unter Fachleuten umstritten. Es ist zu befürchten, dass der Müll nicht ordnungsgemäß entsorgt wird. Der Einsatz von Müllschleusen kann zu einer "Vermüllung" der Behälterstandplätze führen, wenn die Mieter ihre Abfälle vor den Müllcontainern abstellen oder in kostenfreie Wertstoffbehälter einwerfen, um Abfallgebühren zu sparen. Zudem ist zu bedenken, dass eine verursachungsabhängige Abrechnung der Müllbeseitigungskosten eine anderweitige illegale Entsorgung nach sich ziehen kann und der Müll im öffentlichen Raum, etwa in freier Natur abgestellt wird. Das ist einer der Gründe, weshalb sich eine verursachungsgerechte Abrechnung der Müllentsorgungskosten in vielen Gemeinden nicht durchgesetzt hat.